Wissenschaftsgeschichte

Uta Motschmann

Schule des Geistes, des Geschmacks und der Geselligkeit

Die Berliner »Gesellschaft der Freunde der Humanität« (1797-1861)

Die Monographie über die »Gesellschaft der Freunde der Humanität« untersucht die einflussreiche, literarisch-künstlerisch und naturwissenschaftlich ausgerichtete Berliner Bildungsvereinigung, die von 1797 bis 1861 wirkte. Die »Humanitätsgesellschaft« war eines der herausragenden Glieder des vielschichtigen Berliner Vereinswesens. Das Besondere war ihre Langlebigkeit, ihr Mitgliederensemble, ihre Toleranz und ihr akademisch-universitäres Vortragsspektrum. Sie fühlte sich der Bildung »aller Stände« verpflichtet und verfolgte das Ziel, »unter ihren Mitgliedern eine wissenschaftlich begründete Freundschaft zu stiften, und durch wechselseitigen Austausch ihrer Gedanken, Kenntnisse und Erfahrungen innere Fortbildung und aufheiternde Erholung zu veranlassen«. In einer Wechselwirkung von Geben und Nehmen, von Individualität und Anpassung konnte der Einzelne seinen Charakter formen und sich als geselliges, d.h. auch als gesellschaftliches, Wesen entwickeln. In solchen Vereinen organisierte sich das Bürgertum selbst, jenseits vom Staat, aber nicht in Opposition zu diesem, und schuf kommunikative Netzwerke, die in die Gesellschaft hineinwirkten. Die »Humanitätsgesellschaft« vereinte in ihren Reihen Männer unterschiedlicher Stände und Religionen. Neben bekannten Künstlern und Wissenschaftlern wie den Berliner Architekten Karl Friedrich Schinkel, David Gilly und Johann Heinrich Gentz; dem Bildhauer Johann Gottfried Schadow, dem Musikdirektor Bernhard Anselm Weber, dem Kunsthistoriker Aloys Hirt, dem politischen Schriftsteller und bedeutenden Theaterkritiker Garlieb Hellwig Merkel, dem Logenreformer Ignaz Aurelius Feßler, den Gymnasialprofessoren August Ferdinand Bernhardi, Theodor Heinsius, Friedrich Eberhard Rambach, Johann Joachim Bellermann, dem jüdischen Privatgelehrten Lazarus Bendavid, den Astronomen Johann Franz Encke, Christian Ludwig Ideler und Johann Elert Bode, den Chemikern Martin Heinrich Klaproth und Sigismund Friedrich Hermbstaedt, dem Oberkonsistorialrat August Neander, dem Geheimen Regierungsrat Karl Friedrich Wilhelm Dieterici, dem Staatsrat Johann Wilhelm Süvern (um nur einige zu nennen), finden sich auch weniger bekannte Personen aus dem Bürgertum wie Lehrer, Ärzte, Sekretäre, Theologen, Juristen, Militärangehörige und Kaufleute.

Anhand des umfangreichen, hier erstmals präsentierten und ausgewerteten Archivmaterials untersucht die Verfasserin die Geschichte und Programmatik, die Organisation, die Mitgliederstruktur sowie die Verbindung der »Humanitätsgesellschaft« zu anderen Gesellschaften. Aufgrund der Einbettung der Publikation in das Forschungsprojekt »Berliner Klassik« der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften ist der Blick schwerpunktmäßig auf die ersten Gesellschaftsjahre 1797 bis 1815 gerichtet. Das kommentierte Personenregister bietet Angaben zu den mehr als 300 Mitgliedern. Der Dokumentenanhang (CD) umfasst die Statuten der Gesellschaft, Mitgliederlisten, Jahresberichte, Besucherverzeichnisse, eine Liedgutauswahl und ein nach Schwerpunkten geordnetes Verzeichnis der Vortragsthemen. Zahlreiche Abbildungen geben einen Einblick in den schriftlichen Nachlass der Gesellschaft oder zeigen Porträts ihrer Mitglieder.

»Obwohl sich die historische und literaturwissenschaftliche Forschung zur Berliner Geselligkeit im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert einer immer größeren Beliebtheit erfreut, stoßen sowohl biographische Ansätze als auch Salon- und Vereinsuntersuchungen schnell an ihre materiellen Grenzen. Die für die Geselligkeitsanalyse notwendigen Quellen sind rar, meist unvollständig, stark subjektiviert [...]. In diesem Zusammenhang stellt das Buch von Uta Motschmann zur ›Gesellschaft der Freunde der Humanität‹ nicht nur eine großartige Editionsarbeit dar, sondern es erfüllt auch den Anspruch, der Forschung zu Berliner Intellektuellennetzwerken um 1800 als Kompass zu dienen.



Ausgangspunkt der vorliegenden Edition ist ein Quellenfund, der seinesgleichen sucht. Im Landesarchiv Berlin und in der Stiftung Stadtmuseum Berlin fanden sich die Sitzungsprotokolle, Mitgliederverzeichnisse und Jahresberichte der ›Gesellschaft der Freunde der Humanität‹ für die gesamte Zeit ihres Bestehens (1797-1861). Solche Dokumente sind in der Regel nicht nur sehr selten erhalten, auch die Vollständigkeit des Bestandes über eine lange Zeitspanne hinweg ist in den wenigsten Fällen gewährleistet. [...] Anhand dieses hier von Motschmann erstmals präsentierten Korpus werden nicht nur repräsentative historische Momente festgehalten, sondern in der Tat intellektuelle Tendenzen und Entwicklungen über sechs Jahrzehnte hinweg sichtbar.«

Anne Baillot, Zeitschrift für Germanistik, 3/2011

»Mit Uta Motschmanns [...] vorgelegter Studie gewinnt man einen tiefen Einblick in die Wirkung und in den Esprit der bisher wenig erforschten Humanitätsgesellschaft. Durch die ausführliche Aufbereitung des umfangreichen Quellenmaterials [...] werden die Konturen der Gesellschaft als Knotenpunkt im geistigen Berlin deutlich gezeichnet. Dass sie für weiterführende Forschung [...] regelrecht einlädt, ist das besondere Verdienst von Motschmanns Quellenstudie. Angesichts prohibitiver Druckkosten wissenschaftlicher Spezialliteratur im Rahmen der Geistes- und Gesellschaftswissenschaften ist die Beilage einer CD mit mehr als 700 Seiten (enthaltend Materialien und eine Vertiefung der über 500-seitigen Studie) besonders lobenswert.«

William Hiscott, PaRDeS: Zeitschrift der Vereinigung für Jüdische Studien e.V., Heft 17, 2011
  • ISBN: 978-3-86525-114-5
  • Beilage: CD mit weiteren ca. 700 Seiten Text
  • 504 Seiten
  • Hardcover
  • Am 04.05.2010 erschienen
  • Deutsch
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