Literaturwissenschaft

Stefan Efler

Der Einfluß Justus Mösers auf das poetische Werk Goethes

Die starke Wirkung der Schriften Mösers (1720–1794) auf Goethes Werke ist nie bezweifelt worden; schließlich war es der Weimarer selbst, der wiederholt in seinen autobiographischen Schriften auf diesen Einfluß hingewiesen hat. Die Forschung hat sich in diesem Zusammenhang jedoch lange Zeit, ausgehend von Mösers sog. Faustrecht-Aufsatz, auf den Götz, dann auf Egmont konzentriert. Daß Mösers Wirkung weiter reicht, ist hier und dort bemerkt, aber nicht gründlich untersucht worden.
Nach dem Ende des Briefwechsels und der Französischen Revolution gewinnt der Osnabrücker neue Bedeutung für Goethes Schaffen.
Vom Gedanken geleitet, die Revolution »dichterisch zu gewältigen«, arbeitet Goethe
beginnend mit den Revolutionsdramen auf poetischer Ebene Möglichkeiten heraus, die aus seiner Sicht die für ganz Europa folgenreichen Ereignisse in Frankreich unnötig gemacht hätten, wären sie vor 1789 Wirklichkeit gewesen. Fernab von allen revanchistischen Denken entwirft der Dichter ethische und politische Strategien, die auf eine allen ihren Mitgliedern gerecht werdende liberale Gesellschaft zielen. Diesem Anliegen sind das Epos Hermann und Dorothea, die Wilhelm-Meister-Romane und auch Faust verpflichtet. Immer wieder greift Goethe dabei auf Gedanken aus Mösers umfangreichem Werk zurück. Er wird aber nicht zum Plagiator, sondern wendet sich den Ideen des Osnabrückers kritisch zu. Der Dichter nimmt auf, was ihm sinnvoll erscheint, erweitert und funktionalisiert es für seine Werke. In Zeiten rasanter politischer und ökonomisch-technischer Veränderungen erschafft Goethe mit Mösers Hilfe ein im Verlauf seiner Werke sich immer weiter ausdifferenzierendes gesellschaftliches System, das auf die aktuellen Probleme der Zeit Antwort gibt und als Konkurrenzmodell auf poetischer Grundlage verstanden werden will. Der bereits zu Lebzeiten gestellten simplifizierenden Frage, ob Goethe in diesem Zusammenhang den demokratischen oder aristokratischen Weg geht, entzieht sich der Dichter wiederum mit deutlichem Bezug auf Möser. Aus beiden Möglichkeiten wählt er Bereiche, die ihm für eine Gesellschaft geeignet scheinen, die sowohl dem starken als auch dem schwachen Mitglied Perspektiven auf Selbstverwirklichung in Zeiten der schnellen Veränderung geben will. Aristokratie bedeutet dann die persönliche Bereitschaft, eigene Fähigkeiten in den Dienst der Gemeinschaft zu stellen, Demokratie ein Entscheidungsprinzip für alle Menschen, die sich zu dieser Gemeinschaft bekannt haben.

"Goethe hat sich von dem Osnabrücker Schriftsteller Justus Möser weit mehr inspirieren lassen als bislang vermutet wurde. Das legt der Essener Germanist Stefan Effler mit seiner Dissertation nahe. Der 28-jährige Stefan Effler, der in Essen Deutsch und Philosophie studiert hat, sieht Möser zugleich in einer Rolle als Mentor für den reiferen Goethe." Neue Osnabrücker Zeitung

  • ISBN: 978-3-93232-476-5
  • 264 Seiten
  • Broschur
  • Am 29.07.1999 erschienen
  • Deutsch
Diese Website nutzt Cookies, um bestmögliche Funktionalität bieten zu können. Datenschutzhinweise
Verstanden