Mit dem Titel des Buches wird nicht zu verstehen gegeben, der Verfasser dieser Essays zur Literatur lese anders als Andere. Das tut, einen literarischen Text lesend, jeder. Dargelegt wird vielmehr, wie ein Text anders gelesen wird, wenn man ihn in einem neuen Licht, in einer besonderen Konstellation, mit bestimmten Erwartungen liest; auch wenn er in Kontexte gerät, die ihm ›von Haus aus‹ fremd sind.
Es beginnt damit, dass Thomas Morus' Utopia nicht als staatsphilosophisches Lehrstück, sondern als ›redevielfältig‹ organisierter Roman gelesen wird: als Roman darüber, wie unentbehrlich für den Meinungsstreit über die ›beste Staatsverfassung‹ Inspiration und Orientierung durch ein utopisches Denken sind. Daran schließt sich eine Reihe anderer Beispiele für eine durch verschiedene Umstände veränderte Wahrnehmung literarischer Texte an.
Zum Schluss werden die von Hermann Broch in seiner Schlafwandler-Trilogie entwickelten Thesen über eine ›Zerfällung der Welt in Einzelwertgebiete‹ und Schillers Analysen gesellschaftlicher Trennungsprozesse in seinen Briefen Über die ästhetische Erziehung des Menschen so ineinander geschoben, dass sie Finanzmarkt-Turbulenzen aus kulturtheoretischer Sicht als chronisch werdende Folge der ungebremsten Radikalisierung einer ökonomischen Avantgarde deuten.