»Hier findet man nichts von dem empfindelnden Schnickschnack, dem schaalenRomanengang der gewöhnlichen Lustspiele, [...] von dem ewigen Einerley seufzender Liebhaber und Schönen.« So urteilt der Dichter Georg Schatz über Die Indianer in England (1790) in Nicolais Allgemeiner deutscher Bibliothek. Tatsächlich hebt sich Kotzebues frühes Erfolgsstück nicht durch den auch sonst allgegenwärtigen rührseligen Sieg von Liebesheiraten über Kommerzehen ab, sondern durch den kolonialen Stoff. Mit sicherem Blick für die mit Richard Cumberlands Lustspiel The Westindian (1771) literarisch begründete Indienmode, brilliert Kotzebue mit einer exotischen Handlung. Der aus Mysore mit seiner Tochter ins englische Exil vertriebene wohlhabende Inder Kaberdar wohnt im Hause des reichen Kaufmanns Sir John Smith. Erste taktische Heiratsabsichten zwischen Vätern und Kindern beider Familien weichen im Verlauf des Dramas dem reinen Ideal einer selbstbestimmten, natürlichen Liebe zwischen Vertretern beider Kulturen. Das – mehrfach ins Englische übersetzte – Stück war auf zahlreichen Bühnen so populär, dass Daniel Chodowiecki als beliebtester Buchillustrator der Zeit sogleich einen Bogen mit zwölf Kupferstichen auf den Markt brachte. Diese Blättchen gelangen jetzt erstmals in einer Buchausgabe zum Abdruck.
Alexander Košenina
Alexander Košenina, Prof. Dr., wechselte 2008 von einem germanistischen Lehrstuhl in Bristol an die Leibniz Universität Hannover. Er vertritt die deutsche Literatur des 17.–19. Jahrhunderts, beschäftigt sich u.a. mit medizinischen und juristischen Fallgeschichten seit der Frühen Neuzeit und interessiert sich für Wechselwirkungen zwischen Malerei und Literatur. Zahlreiche Bücher, Aufsätze, Feuilletons und Editionen zur Literatur des 17. bis 21. Jahrhunderts.