Die Rede von der ›Moderne‹ geht mit basalen Annahmen über deren Zeitlichkeit einher. Gibt es eine spezifische Temporalität der Moderne? Von dieser Frage ausgehend versammelt der Band Beiträge aus der kunst- und literaturwissenschaftlichen, soziologischen und philosophischen Forschung, die die Pluralität der Zeitmodalitäten in der Moderne aufweisen. Eigenzeiten der Moderne treten dort zu Tage, wo die Differenz und Heterogenität der Zeitlichkeiten erfahrbar und deren gesellschaftliches, epistemisches sowie ästhetisches Konfliktpotential bewusst wird. Die Explikation der Eigenzeiten wie der Aufweis irreduzibler Polychronie führen zur Kritik an etablierten Narrativen der Prozessualität: zur Kritik der unilinearen Entwicklung, der kausalen Notwendigkeit, der immanenten Teleologie, der verbürgten Kontinuität wie des historischen Bruchs.
Aus dem Inhalt: Hartmut Rosa: Drei Formen der Gegenwart. Soziale Beschleunigung und der doppelte Epochenbruch der Moderne – Helge Jordheim: Die Moderne als Synchronisierung der Geschichte. Begriffs- und gattungsgeschichtliche Perspektiven – Emil Angehrn: Negativität und Moderne. Zeitphilosophische Überlegungen im Ausgang von Michael Theunissen – Reinhold Görling: Sinn und Unsinn der Rede von einem ›Zeitregime‹. Anmerkung zum Problem der Zeit in den Techniken des Selbst, den Techniken des Regierens und den Regimen des Wahrsprechens – Boris Roman Gibhardt: – Allegorie der Zeit – Zeitlichkeit der Allegorie. Sinnbildliches Darstellen im Umfeld der französischen Revolution und der deutschen Romantik – Dominik Schrage/Holger Schwetter: »Time has come today« Zum Epochenbewusstsein in der Rockmusik 1960er bis 1980er Jahre – Sebastian Giacovelli: Neoklassische Formeln als Artefakte. Zu deren prägender Kraft und temporaler Widerständigkeit – Eva Horn: Menschengeschichte als Erdgeschichte. Zeitskalen im Anthropozän – Hanna Hamel: Zeit der Gattung. Johann Gottfried Herder als Anthropologe des Anthropozäns? – Lena Kugler: »Paleoindians« und das »Leichenfeld« der Urgeschichte. Zur Wissens- und Darstellungspoetik des urzeitlichen Artensterbens – Helmut Hühn: Gegenwart und Moderne. Philosophische Diskurse um 1800 – Heinz Brüggemann: »Ein Polterabend der alten und neuen Zeit«. Literarische Reflexion und Bilderfindung historischer Gegenwart um 1830 – Johannes F. Lehmann: Gegenwart und Moderne. Zum Begriff der Zeitgenossenschaft und seiner Geschichte – Ralf Simon: Polychrone Moderne und ihre Strukturen. Sehr kurze Skizze für ein sehr umfangreiches Projekt – auch eine Einführung – Caroline Forscht: Gegenwart als beste aller Zeiten? Carl Meisls »phantastisches Zeitgemählde« im Spannungsfeld der Restauration – Marie Drath: Zeitlichkeiten des Humors in Wilhelm Raabes Roman Die Leute aus dem Walde – Solvejg Nitzke: Im Bann des Klimas. Die poetische Eigenzeit der Natur in Christoph Ransmayrs Die letzte Welt – Michael Bies: Eigenzeit. Zur Geschichte eines modernen Begriffs.