Bibliothek 19. Jahrhundert

Bibliothek 19. Jahrhundert

Um die Wende zum 3. Jahrtausend ist verstärkt über die Frage diskutiert worden, welche Bücher immer noch oder wieder gelesen werden sollten. Prominente Personen des öffentlichen Lebens haben sich dazu geäußert, etwa in der Umfrage der Wochenzeitschrift DIE ZEIT im Mai 1997. 2001 publizierte der SPIEGEL eine 74 Autorennamen umfassende Liste Marcel Reich-Ranickis. 2004 erscheint in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG eine Basisbibliothek der Weltliteratur. Mit solchen und anderen Projekten sollen zentrale Texte im kulturellen Gedächtnis bewahrt werden. Das Problem solcher Listen ist, dass sie, von kleineren Abweichungen abgesehen, immer dieselben Namen und Werke nennen. Der größte Teil der zahlreichen Erzähltexte, Dramen, Gedichte bleibt außen vor. Man könnte analog zum Begriff des kulturellen Gedächtnisses von Gedächtnisverlust sprechen oder mit Jurij M. Lotman davon, dass diese Texte, weil sie nicht mehr gelesen werden und keine Informationen mehr übermitteln, nur noch als » Rauschen« wahrnehmbar sind.

Für das 18. Jahrhundert, also die sogenannte Genie- oder Sattelzeit, gibt es eine Vielzahl von Projekten, die kulturell bedeutsame Texte vor dem Vergessen retten wollen. Dabei findet die eigentliche Revolution, die explosionsartige Vermehrung der literarischen Publikationen und des sie rezipierenden Publikums, erst im 19. Jahrhundert statt. Unausgesprochene Voraussetzung für die Aufnahme in diese Reihe ist die Annahme, dass die Bände zu Unrecht vergessen sind, dass sie Erkenntnisbedeutsamkeit für ihre und für die heutige Zeit besitzen. Die »Bibliothek des 19. Jahrhunderts« versteht sich als ein archäologisches Projekt, kritisch in dem Sinne, dass es gegen Verfestigungstendenzen angehen und zu einem weiter ausgreifenden Diskurs über das anregen möchte, was dem kulturellen Gedächtnis nicht verloren gehen sollte.

Die Reihe wird unter diesem Namen nicht fortgesetzt. Zukünftig erscheinen vergleichbare Texte in der »Edition Wehrhahn«.

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