Die jüdische Selbstemanzipation des 18. Jahrhunderts (Haskala) ist in der neueren Aufklärungsforschung zu einem zentralen Thema avanciert. Buchtitel wie Cultural Revolution in Berlin. Jews in the Age of Enlightenment sind bezeichnend dafür. Der vorliegende Band, der auf eine Konferenz im Jüdischen Museum Berlin im Jahr 2016 zurückgeht, ergänzt das komplexe Bild dieses Umbruchs um einen in der Regel unterschätzten Aspekt – nämlich die um 1800 reich dokumentierte Symbiose zwischen jüdischen und christlichen Intellektuellen der Stadt. In ihrer Vielgestaltigkeit geht sie weit über den kanonisch gewordenen Fall Lessing/Moses Mendelssohn hinaus. Ihr Antrieb war das beidseitige Wunschbild einer jüdischen Mitbürgerschaft nicht nur in rechtlicher, sondern auch kultureller Hinsicht. Im Aktionsraum dieses doppelten Lernprozesses, den die 14 Fallstudien des Bandes entfalten, finden sich neben Namen, die man kennt – wie David Friedländer, Salomon Maimon und Rahel Levin bzw. Friedrich Nicolai, Karl Philipp Moritz und Wilhelm von Humboldt – auch relativ unbekannte, die es sich lohnt weiter zu beforschen. Umso mehr, als das symbiotische Experiment Berlin 1800 offensichtlich die Basis für den in der Welt singulären jüdischen Beitrag zur deutschsprachigen Kultur bis 1933 war. Was danach, ebenfalls von Berlin ausgehend, kam, ist bekannt. Es sollte die historische Erinnerung an die frühe Utopie nicht verdecken.
»Der ertragreiche und informative Band trägt zweifellos zu einer besseren Kartierung des im Titel angesprochenen Feldes bei.«
»Der reiche Forschungsbeitrag (...) sollte allen angesprochenen Disziplinen Anregungen zu Vertiefungen geben, doch ist dem Band vor allem ein breites Publikum auch jenseits der engeren Disziplinen zu wünschen: als Spiegel einer Zeit, eines aufblitzenden Bildes einer möglichen jüdisch-christlichen Symbiose in einer nur sehr kurzen Phase der deutschen Geschichte.«