Mit Paul Weidmanns (1748–1801) Faust von 1775 wird ein Theaterstück wiederveröffentlicht, das fast vergessen und durch die Fokussierung auf Goethes Faust kaum Beachtung fand. Im späten 18. Jahrhundert wurde Weidmanns Faust allerdings oft gespielt. Es bewegt sich auf der Geschmackshöhe der Zeit und knüpft mehrfach an die Tradition der Faust-Spiele an: mit der Beibehaltung des literarisch gewordenen Vornamens; mit der Abstammung Fausts aus einem bäuerlichen Milieu frommer Unbescholtenheit; mit der Verschwendung eines vom Onkel vererbten Vermögens; mit dem in keiner Faust-Version sonst so massierten Aufgebot an Warnergestalten; mit dem seit Marlowe obligatorischen Widerstreit zwischen einem guten und einem bösen Geist; mit dem Glockenschlag um zwölf Uhr Mitternacht. Allerdings ist Weidmanns Faust kein kraftgenialisches Stück. Weidmann hält sich ganz an die drei Einheiten von Zeit, Ort und Handlung, in dem es die letzten 24 Stunden Fausts darstellt.
Weidmanns Faust ist ein wichtiger Beitrag zur Faust-Thematik und -Forschung in Deutschland und hilft den Blick auf deren Komplexität zu erweitern.